Unverpackt Mainz im „Gründer Millieu“

20. Februar 2017, Der Mainzer

Zeitschriftenartikel als PDF Download

EINKAUFEN GANZ ANDERS: VERPACKUNG BITTE MITBRINGEN

Der Inhaber passt nicht recht ins eher hippe Gründer-Milieu, seine Geschäftsidee ist ungewöhnlich, aber sie funktioniert: Majid Hamdaoui verkauft -Lebensmittel »unverpackt«.

Majid Hamdaoui begann mit dem BrotPosten am Frauenlobplatz. Dort haben seit 2012 Brot und Backwaren vom Vortag eine zweite Chance: statt in der Tonne landen sie in der Tüte. Es sprach sich sehr schnell herum, dass hier »überschüssige« Qualitätsbackwaren günstig verkauft werden.

DAS RAD NEU ERFUNDEN?

2014 reifte bei Majid Hamdaoui die Idee, ein weiteres »nachhaltiges« Geschäft zu gründen. Im November 2014 las er von einem US-Amerikaner, der sein Leben als Börsenmakler umgekrempelt hatte und mit seiner Familie komplett plastikfrei lebte.

In dem Bericht war auch die Rede von Behältnissen, die Hamdaoui aus Kanada kennt, sein Bruder lebt dort. Es ging um Gravity Bins (Schwerkraftbehälter) und Scoop Bins (Schaufelbehälter), Behälter, in denen Waren ohne Verpackung angeboten werden.

Hamdaoui wurde klar, wie er seine Idee, -Lebensmittel unverpackt zu verkaufen, realisieren kann. »Ich dachte ich habe das Rad neu erfunden«, grinst Majid Hamdaoui zurückblickend. Dann stieß er im Internet auf Läden, die genau das schon eine Weile machen.

Der studierte Wirtschaftsinformatiker ließ sich nicht irritieren, suchte und fand Lieferanten von produkten in der näheren Umgebung von Mainz, dazu bezahlbare Räumlichkeiten; er plante die Ladeneinrichtung und beauftragte einen hiesigen Schreiner für den Einbau.

Sechs Monate später, am 8. Juni 2015, eröffnete er sein »unverpackt« in der Kurfürstenstraße. Unterstützt wurde Hamdaoui von der Existenzgründungsberatung der IHK Rheinhessen.

»Die haben mir schon beim ‚BrotPosten‘ geholfen und waren von meinem klar und eindeutig formulierten Konzept der unverpackt-Geschäftsidee ebenfalls sehr angetan.« Zur Gründungsberatung gehört die Vermittlung eines Unternehmensberaters, der bei der Erstellung des Businessplans hilft und bei der Beantragung der KfW-Förderkredite. Hamdaoui wurde auch ein Coaching finanziert.

ÜBERWIEGEND
Die Standortfrage für das »unverpackt« erledigte sich zufällig: Die Metzgerei »Beim Peter« zog von der Kurfürstenstraße an den Sömmeringplatz um, Hamdaoui bekam die Neuvermietungsabsicht rechtzeitig mit und die Eigentümerin war mit einem »geruchsfreien« Verkaufslokal sehr einverstanden.

Zurzeit gibt es im »unverpackt« 400 Produkte, davon 97% produkte zu kaufen, von den unterschiedlichsten Müslimischungen und Nudelsorten bis zu Waschpulver, Haushaltsreiniger und Toilettenpapier, Eiern, Gewürzen und Schokolade.

VERPACKEN, WIE ES GEFÄLLT
Die Atmosphäre beim Einkaufen ist außergewöhnlich. Allein die Vielzahl der Behältnisse, die jede und jeder mitbringt, um z.B. Kaffee (zum Selbermalen) oder Olivenöl »einzupacken«.

Wer die Verpackung vergessen hat, kann sich mit Tüten (kostenlos) behelfen oder greift auf eine der nachfüllbaren Behältnisse zurück, die verkauft werden. Außerdem entdecken viele Kunden Produkte, die sie noch nicht kennen: Kamut, getrocknete Maulbeeren,…

Los geht es für Alle mit dem Wiegen des Behältnisses: die Waage spuckt ein Etikett aus, auf dem das Gewicht vermerkt ist, an der Kasse, nach dem Befüllen der Dose oder Flasche, wird erneut gewogen und das Leergewicht abgezogen.

Majid Hamdoui und seine Mitarbeiter/innen helfen beim Befüllen und erklären, dass die Shampoo-Seife genauso schäumt wie ein Flüssigshampoo oder dass der -Kaffee von einer Mainzer Kaffeerösterei stammt.

HYGIENE UND VERPACKUNG
Bleibt die Frage, wieso im unverpackt jeder mit seiner eigenen Verpackung einkaufen kann, während in Supermärkten die mitgebrachte Dose vom Verkaufspersonal »aus hygienischen Gründen« nicht akzeptiert wird. »Wir verkaufen nur Trockenware oder Putzmittel zum selbst Abfüllen und keine Frischware«, antwortet Hamdoui.

Außerdem, so seine Beobachtung, nutze die deutsche Hygienepolitik durchaus den Interessen der deutschen Verpackungsindustrie.

(Presseartikel das Stadtmagazins Der Mainzer)